Julia und Ritinha sitzen auf der Terrasse vor ihrem kleinen Haus in der Favela Pirambu in Fortaleza und planen unsere Woche. Eine Woche haben wir Zeit, um alle Kinder und Familien, die durch die Kinderhilfe Fortaleza unterstützt werden, zu besuchen. Mittlerweile ist es fast 20 Jahre her, dass Julia zum ersten Mal hier war. Seitdem steht sie für viele Kinder, von denen einige mittlerweile eher als junge Erwachsene bezeichnet werden müssen, deren Familien, aber auch für ihre Freundin Ritinha und deren Familie für Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Das mag ein bisschen theatralisch klingen. Ich erinnere mich aber gut an meinen ersten Besuch hier im Jahr 2001, als ich meine eigene Schwester beim Gang durch die Favela und unseren Besuchen bei den Kindern zu Hause plötzlich als das sah, was sie hier für so viele Menschen ist: ein Engel.
Die Kinderhilfe Fortaleza übernimmt das Schulgeld für Kinder, die in fürchterlichen sozialen, ärmlichen Verhältnissen aufwachsen. Das Problem in Brasilien – oder besser eines von sehr vielen – ist, dass die öffentlichen Schulen so schlecht sind, dass nur die Privatschulen eine wirklich gute Ausbildung in einer Umgebung garantieren, in der man als Kinder gern lernt. Für viele Kinder bedeutet die Schule mehr als Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen. Die Schule ist für sie ein Ort, an dem sie sich sicher, verstanden und geschützt fühlen. Hier treffen sie ihre Freunde, hier hört man ihnen zu. Zu Hause ist man nur zum Schlafen. „Treffpunkte“ für Kinder und Jugendliche gibt es nicht.
Wer die Grundschule und die Mittelstufe (1. bis 9. Klasse) auf einer Privatschule absolviert, kann sich sicher sein, eine umfassende Schulbildung zu erhalten. Die Schulen sind schön, die Materialien sind einigermaßen neu und die Ausbildung bereitet die Schüler ausreichend auf die Oberschule vor. Diese haben – hier beginnt sich das System zu ändern – durchweg ein sehr gutes Niveau, auch die staatlichen, die jeder kostenlos besuchen kann. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich unsere Unterstützung auf die ersten neun Schuljahre. Die Oberschule dauert drei Jahre. Nach dem Abschluss müssen alle Schüler, die eine der ebenfalls recht guten staatlichen Universitäten besuchen will, einen Aufnahmetest absolvieren. Je besser der Notenschnitt dieses Tests ausfällt, desto mehr Studiengänge stehen einem offen.
In den letzten 20 Jahren wurden mehr als 30 Kinder von uns unterstützt. Wir wollen in den nächsten Tage selbst sehen, was unsere Arbeit gebracht hat. Morgen findet das erste Ehemaligentreffen der Kinderhilfe Fortaleza statt, zu dem wir alle Jugendlichen eingeladen haben, die mit unserer Unterstützung die Mittelstufe abgeschlossen haben. Wie geht es ihnen auf den staatlichen Oberschulen? Wer von ihnen hat den Aufnahmetest zur Uni absolviert? Studiert jemand von Ihnen? Was machen sie im Leben und wie geht es ihren Familien? Wir sind wahnsinnig gespannt und freuen uns auf die nächsten Tage und das Wiedersehen.